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Ad Caesarem!

Vorentlastung des Wortschatzes eines lateinischen Klassikers

Seit ich Latein unterrichte, habe ich stets für meine Klassen eigene Cäsar-Lektüren angefertigt, da die Verlagsausgaben das Thema „Wortschatzarbeit“ eher stiefmütterlich behandeln. Alphabetische Listen, in denen der Grundwortschatz nur zum Teil berücksichtigt wird, werden den individuellen Anforderungen der Lernenden nicht mehr gerecht. Ich möchte hier eine Methode zum Vokabellernen vorstellen, die sinnvoll die Übersetzungsarbeit vorentlastet.

Vorüberlegungen

In einer Klasse trifft man auf die unterschiedlichsten Lerntypen. Die Schülerinnen und Schüler bringen unterschiedliche Voraussetzungen mit, was Vokabel- und Grammatikwissen betrifft. Außerdem ist die Motivation ein großes Thema, denn man macht einen Sprung vom bekannten Lehrbuch zur Originallektüre. Diese Bedingungen muss man nicht nur bei der Gestaltung des Unterrichts, sondern auch bei der Gestaltung der Wortschatzarbeit berücksichtigen, denn sie ist die Voraussetzung für gelungene Übersetzungen und letztendlich auch für den Erfolg bei Leistungskontrollen. Vor diesem Hintergrund habe ich zu Cäsars Text Vokabellisten entworfen, die den individuellen Bedürfnissen einer heterogenen Lerngruppe gerecht werden.

Gestaltung der Wortschatzarbeit

Als Beispiel nehme ich hier den Anfang des ersten Buches von Cäsars Gallischem Krieg: „Gallia est omnis divisa in partes tres, quarum unam incolunt Belgae, aliam Aquitani, tertiam qui ipsorum lingua Celtae, nostra Galli appellantur.“ (Caes. Gall. 1,1,1). Zunächst war es mir wichtig, dass die Vokabeln und sprachlichen Wendungen in der gleichen Reihenfolge wie im Text gelistet werden. Jede einzelne Vokabel des Originals habe ich in ihrer Grundform in eine Tabelle übertragen. Als nächsten Schritt habe ich alle Hilfen eingetragen, die die Lernenden nicht selbstständig erarbeiten können. Ein Beispiel für den ersten Satz ist „omnis“, das an dieser Stelle prädikativ „als Ganzes“ übersetzt wird und nicht – wie als erstes im Wörterbuch zu finden – mit „jeder“.

Auszug aus der Vokabelliste Buch 1,1, 1

SatzLateinische Vokabel / WendungÜbersetzungLernhilfeNützliches Grammatikwissen
1Gallia,
omnis, eals GanzesPrädikative Übersetzung
dividere

 

pars,

Die gesamte Liste als PDF herunterladen

In der so angelegten Tabelle ist genügend Platz vorhanden, so dass die Lernenden ihre eigenen Eintragungen ergänzen können. Bevor nun die Lerngruppe mit diesen Listen arbeiten kann, muss eine Einführung erfolgen.  Mein Schwerpunkt bei dieser Beispielliste war es, die Bildungsregeln der Konjugationen und Deklinationen noch einmal in den Fokus zu nehmen. Denn diese sind entscheidend, um grammatische Formen im Text richtig zu bestimmen und übersetzen zu können. Dies lässt sich aber individuell den Bedürfnissen der Lerngruppe anpassen.

Vorteile der Methode

Wenn die Schülerinnen und Schüler nun mit der Liste arbeiten, haben sie zwei Möglichkeiten: Sie können ihr Vorwissen einbringen oder die Vokabeln im Wörterbuch heraussuchen. Lernhilfen und nützliches Grammatikwissen sind nicht verpflichtend für die Lernenden. Ich habe allerdings gute Erfahrungen damit gemacht, dass sich die Kinder Eselsbrücken überlegen. Ein eher schwächerer Schüler hatte sich für fast alle Vokabeln Lehnwörter oder Reime überlegt. Damit hat nicht nur er die Vokabeln nachhaltig gelernt, auch seine Mitschülerinnen und -schüler haben von seinem Bemühen profitiert.

Ein weiterer Vorteil dieser Listen ist, dass man alle Lernenden in der Unterrichtsstunde aktiviert, indem die Schülerinnen und Schüler reihum je eine Lösung nennen. Hat sich ein Schüler erst einmal beteiligt, motiviert dies häufig dazu, weiterhin aktiv zu bleiben. Außerdem fixieren die Kinder die Vokabeln nicht nur schriftlich, sondern sprechen sie auch laut aus, so dass alle die Wörter auch einmal hören. Je mehr Sinne ich im Unterricht ansprechen kann, umso besser kann ich den unterschiedlichen Lerntypen gerecht werden – und die Vokabeln werden zuverlässiger im Langzeitgedächtnis gespeichert. Zudem habe ich als Lehrerin die Chance, Probleme zu klären, die bei Vokabeln aufgetreten sind – zum Beispiel wenn sich die Lernenden falsche Stammformen bei den Verben eingeprägt haben. Und es ist mir möglich, Schwierigkeiten in der Lerngruppe zu erkennen. So kann ich gezielt Lerninhalte wiederholen und die folgenden Vokabellisten daran anpassen.

Ein weiterer Pluspunkt: Es ist leicht, die Hausaufgaben zu kontrollieren, denn ein schneller Blick genügt, ob ein leeres Blatt auf dem Tisch liegt.

Nutzen für die Übersetzungsarbeit

Schließlich können wir die so geleistete Vorarbeit nun für die Übersetzung verwenden. Da die Vokabeln passend zum Originaltext angeordnet sind, können sich die Lernenden schnell orientieren. Der gesamte Fokus der Lernenden liegt auf der Übersetzung und muss nicht durch hastiges Nachschlagen im Wörterbuch unterbrochen werden. Das hat wiederum den Vorteil für mich, weil ich mich bewusst schwächeren Schülern widmen kann und nicht mit Fragen nach Vokabeln bombardiert werde.

Fazit

Abschließend möchte ich auch einen Nachteil erwähnen – es kostet Zeit und Mühe, diese Liste zu erstellen. Jedoch überwiegen meine eigenen positiven Erfahrungen und auch die positiven Rückmeldungen der Schülerinnen und Schüler, insbesondere was den Übergang von Lehrbuch zu Originallektüre betrifft.


Beitragsbild: Kathrin Grüling (privat)

Über Kathrin Grüling

Kathrin Grüling ist ein echtes Nordlicht und unterrichtet seit 2011 Englisch und Latein im schönen Buchholz in der Nordheide. Nach zehn Jahren im Schuldienst ist sie nun in einem Verlag für Bildungsmedien angekommen. So hat sie ihre Leidenschaft, tolle Materialien für die Fächer Englisch und Latein zu erstellen, zum Beruf gemacht.

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