Bilingualer Technikunterricht für Sprachanfänger
Wortschatz lernen mit Hammer, Säge, Feile
Schaue ich in meiner eigenen Sprachbiographie zurück, so muss ich feststellen, dass ich immer dann am nachhaltigsten Vokabeln gelernt habe, wenn ich etwas erreichen wollte, das eigentlich gar nichts mit dem Spracherwerb selbst zu tun hatte. So erinnere ich mich an meine Ankunft als Fremdsprachenassistent in England. Meine Landlady war eine ältere Dame, die sehr zuvorkommend war. Sie wollte mir auch bei der Lösung all meiner Probleme helfen. Mein größtes Problem am ersten Tag war: Ich hatte nicht genügend Steckdosen im Raum. Beim besten Willen konnte ich mich nicht daran erinnern, jemals das Wort „Mehrfachsteckdosenleiste“ im Unterricht oder im Studium gehört zu haben. Mit gestenreicher Erklärung kamen wir schließlich auf den Begriff „multiple socket“. Obwohl ich ihn nie mehr danach gebraucht hatte, ist er mir bis heute im Gedächtnis.
Problemlösung auf Englisch
These: Wenn es mir gelingt den Schülerinnen und Schülern Situationen zu bieten, in denen sie ein Problem lösen wollen, und sie dies nur durch den Einsatz der Fremdsprache können, so kann ich sie dazu motivieren Sätze, Begriffe und „Phrases“ zu verwenden, ohne die im Vokabelheft zu pauken.
Gesagt – getan.
Als ausgebildeter Techniklehrer darf ich ein Fach unterrichten, bei dem auch sonst schwache Lernende glänzen können, da es in den Phasen der praktischen Arbeit oft weniger um das Erlernen von Fachwissen, als vielmehr um konkretes Handeln geht (selbstverständlich auf der Basis von Wissen).
Messen, anzeichnen, sägen, feilen, schleifen … gehören zu den grundlegenden Techniken der Holzbearbeitung, die wir im Unterricht mit Anfängern vermitteln.
Häufige gebrauchte Aussagen und Fragen sind zum Beispiel:
- „Können Sie mir helfen?“
- „Was muss ich als nächstes machen?“
- „Ich verstehe das nicht.“
- „Ist das richtig?“
Diese und andere Sätze hängen mit Übersetzungen auf Plakaten geschrieben an den Wänden.
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Zum Vergrößern der Poster bitte auf eins der Bilder klicken und die Galerie starten.
Häufige gebrauchte Verben sind:
put, take, do, make, draw, push, pull, use, measure usw.
Diese werden dargestellt mit Hilfe von Bildern, auf denen auch Werkzeuge zu sehen sind.
Häufige gebrauchte Werkzeuge (nicht die Fachbegriffe) sind:
ruler, saw, file, sandpaper, pencil, glue, clamp, piece of wood.
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Eine bilinguale Technikstunde im Überblick
Im Unterricht selbst versammeln sich die Schülerinnen und Schüler mit mir zu Beginn immer um einen Tisch. Ich wiederhole dann bereits begonnene Schritte und erläutere die nächsten Arbeitsphasen. Indem ich gleichzeitig zeige und spreche wird den Jugendlichen deutlich, was ihr Arbeitsauftrag ist.
Anschließend gehen die alle zu ihren Arbeitsplätzen und beginnen ihre Arbeit. Zeit für mich, zu jedem einzeln zu gehen, mich nach dem Fortgang zu erkundigen und die Ziele für die Stunde festzulegen.
Selbstverständlich bräuchten die Schülerinnen und Schüler hier verschiedene Zeitformen. „I have already finished this part. Now I am working at … . Then I want to … . This lesson I am going to … .” Vier Zeitformen, die Realschüler je nach Lehrwerk frühestens Mitte des zweiten Lernjahres erstmals kennen gelernt haben, jedoch im Normalfall nicht kontrastiv zu nutzen wissen. Nicht zuletzt deshalb ist mein Fokus hier nicht auf dem richtigen Gebrauch von Zeiten, sondern vielmehr darauf, dass die Lernenden im bedeutungsvollen Kontext Vokabeln, kurze Sätze und Anweisungen in der Zielsprache anwenden, um so
- eine Gewöhnung an die Alltäglichkeit von Sprachnutzung zu erreichen und
- hierdurch das individuelle Selbstbewusstsein in einem überprüfungsfreien Kontext zu stärken.
Mit dem zweiten Punkt meine ich, dass Jugendliche, die sich im normalen Englischunterricht aus Angst vor Fehlern nicht trauen, etwas zu sagen, hier ihre Angst überwinden können – schließlich ist der Gebrauch der Fremdsprache nicht Teil der Notenfindung.
Wie bei vielen Vorschlägen, so gilt auch hier, dass nicht alles was beschrieben wird, immer gleich und auf Anhieb reibungslos gelingt. Dennoch – versuchen Sie es – es gibt immer Jugendliche, die von solchen Inhalten profitieren.
Beitragsbild: fotolia #95019254 | Urheber: Stasique

Über Matthias Wunsch
Matthias Wunsch ist seit 1998 Realschullehrer für die Fächer Englisch, Technik und Religion. Seit einigen Jahren bereitet er Schülerinnen und Schüler auf den "Preliminary English Test of the University of Cambridge" (CEFR Level B1) vor.
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