Individuelle Wortschatzarbeit am Beispiel eines Theaterprojekts
Motivation und neue Wörter mit dem Dschungelbuch
Ein gemeinsamer Beitrag der Wortschatz-Blog Autorinnen Katharina Mack und Ramona Pfenning.
Projekte machen Spaß und sind eine tolle Abwechslung zum sonstigen Schulalltag. Sie bieten außerdem einzigartige Lernmöglichkeiten. Gerade am Ende eines Schuljahres oder kurz vor den Weihnachtsferien, wenn es häufig schwierig wird, eine Klasse zu motivieren, können Projekte überaus lehrreich und produktiv sein.
Aus dieser Überlegung heraus gestalteten wir 2017 ein schul- und klassenstufenübergreifendes Sockenpuppentheaterstück zum Thema „The Jungle Book“. Über drei Tage hinweg (inklusive Aufführung) arbeiteten die Schülerinnen und Schüler einer sechsten Realschulklasse dabei mit einer Partnerklasse aus der Einführungsphase (15 bis 16 Jahre) zusammen. Um die Kooperation möglichst intensiv zu gestalten, trafen wir uns täglich an einer der benachbarten Schulen.
Ziel des Dschungelbuchprojekts
Unsere Idee: Die Lernenden sollten in Kleingruppen eine sprachlich vereinfachte Buchform des Dschungelbuchs zunächst lesen, dann in ein Drehbuch umwandeln und die Ergebnisse schlussendlich auf der Bühne als Sockenpuppentheater präsentieren. Wir haben dazu die Ausgabe „The Jungle Book“ von Kipling, Mai und Brown verwendet. Am Ende kreierte jede Gruppe ihr individuelles Theaterstück zur Buchvorlage – jedes mit seinem eigenen Charme.
Wortschatzarbeit im Dschungelbuchprojekt
Schritt 1: Fehlenden Wortschatz erkennen
Auf dem Weg durch das „Jungle Book“ waren den Schülerinnen und Schülern selbstverständlich diverse Wörter unbekannt. Getreu dem Motto „Groß hilft Klein“ war es zunächst die Aufgabe der älteren Schülerinnen und Schüler, ihren jüngeren Partnerinnen und Partnern aus der sechsten Klassenstufe die Bedeutung der Wörter auf Englisch zu erklären. Natürlich können aber auch Schülerinnen und Schüler der Einführungsphase nicht alles wissen oder stoßen beim Erklären in der Fremdsprache an ihre Grenzen.
Zur Unterstützung bekamen die Kleingruppen daher elektronische Wörterbücher von CASIO ausgeteilt, mit deren Hilfe sie unbekannte Wörter problemlos und vor allem zeitsparend nachschlagen konnten. Mit nur wenig einführender Unterstützung durch die Lehrkräfte gelang es den Kleingruppen, die Wörterbücher entsprechend der Zielstellung zu nutzen. Der Fokus der Kleingruppenarbeit blieb daher aus Schülersicht auf dem Buch und dem Ziel, ein Theaterstück zu entwickeln.
Schritt 2: Neues Vokabular im Dschungelwörterbuch notieren
Allzu oft ärgern sich Lehrkräfte, dass Schülerinnen und Schüler ihre Vokabeln nicht können. Wie sollte das also in einem Projekt ausgerechnet kurz vor den Ferien besser gelingen? Zunächst stellte sich uns daher die Frage „Welche neuen Wörter aus der Lektüre müssen gekonnt werden?“ und „Was versteht wir – die Lehrkräfte – unter gekonnt?“: Bedeutung verstehen, Rechtschreibung, grammatikalisch korrekte Verwendung? Eine Frage, die sich mitunter auch der Englischdidaktiker Frank Haß stellt. Einvernehmlich hielten wir fest: Unsere Schülerinnen und Schüler müssen in die Lage versetzt werden, Vokabeln, die sie im Theaterstück verwenden wollen, situationsadäquat anzuwenden
Um den bewussten Neuerwerb von themenspezifischem Dschungelvokabular zu fördern und – wie beschlossen – situationsadäquat abrufbar zu machen, stellten wir den Kleingruppen die Aufgabe, ein eigenes Dschungelwörterbuch anzulegen. Darin notierten sie alle Vokabeln, die ihnen unbekannt und gleichzeitig wichtig erschienen. Wie in einem guten Wörterbuch üblich ergänzten sie dann die deutsche Übersetzung sowie einen englischsprachigen Satz, in dem das Wort vorkam. Hintergrund der Pflicht, einen Satz aufzuschreiben war und ist, dass dieser den Schülerinnen und Schülern das grammatikalische Gefüge offenbart, in dem das Wort verwendet werden kann. Dies trägt im späteren Verlauf zu einer korrekten Verwendung des neuen Wortes bei.
Die entstehenden Dschungelwörterbücher waren selbstverständlich recht unterschiedlich. Je nach Vorwissen oder der individuellen Einschätzung darüber, was wichtig sein könnte, hielten die Schülerinnen und Schüler andere Wörter fest. Das war keinesfalls schlimm, sondern mit Hinblick auf den weiteren Verlauf des Drehbuchschreibens wichtig.
Schritt 3: Neuen Wortschatz mithilfe des Dschungelwörterbuches anwenden
Bei der Erstellung der eigenen Theaterdialoge mussten die Gruppen im weiteren Verlauf auf ihr Dschungelwörterbuch zurückzugreifen. Dabei wiederholten sie ihren neuen Wortschatz unterbewusst in Eigenregie. Die Behaltensleistung wurde hier vor allem durch die multisensorische Verarbeitung gesteigert, da dem schlichten Notieren und Übersetzen des fremden Wortschatzes die Verarbeitung im neuen Text und die visuelle sowie gestische Umsetzung folgte (zum Beispiel: Mowgli hides behind a tree). Sicher können sich die Lernenden noch weit nach der Theatervorführung an einzelne neue Vokabeln erinnern, weil sie diese mit lustigen oder überraschenden Momenten verbinden und sie mehrfach situativ umgewälzt haben.
Um neben der individuellen Erweiterung des Vokabulars auch ein gemeinsames Klassenvokabular zu schaffen, kann man die Kleingruppen gegen Ende des Projekts ihre fünf wichtigsten Vokabeln heraussuchen lassen. Diese können die Schülerinnen und Schüler den Zuschauern vor der Theateraufführung präsentieren – zum Beispiel als kreative Wortbildgestaltung oder multisensorische Darbietung – und sie gehören fortan zum Klassenvokabular. Ein solches Vorgehen hat zudem den Vorteil, dass das Publikum nicht Gefahr läuft, das Stück aufgrund von mangelndem Wortschatz nicht zu verstehen.
Das Jungle Dictionary als PDF zum Download.
Literaturtipp: Haß, Frank und Kieweg, Werner (2012). I can make it Englischunterricht für Schülerinnen und Schüler mit Lernschwierigkeiten. Klett.
Beitragsbild: Katharina Mack
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