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Ista: die Latein-Rapper

Latein goes Hip Hop

Latein ist tot? Von wegen. Wie lebendig die Sprache ist, demonstriert seit 1992 die deutsche Band Ista.

Lateinlehrer Edgar Barwig ist Backgroundsänger und Liedtexter. Im Interview beschreibt er, wie die Idee entstand und was es bedeutet, auf Latein zu rappen.

Herr Barwig, wie schwierig ist es für Sie als Lateinlehrer, die Songtexte zu schreiben?

Das ist nicht schwer, wenn man Mut zur Fantasie hat. Latein funktioniert ja ein bisschen nach dem Baukastenprinzip: Man setzt bestimmte Elemente zusammen, die dann zu etwas Eigenem werden. Das machen wir uns zunutze, indem wir zum Beispiel ganze Nebensätze durch ein Partizip ausdrücken. Außerdem wagen wir, den sprachlichen Rahmen etwas weiter zu fassen. Das heißt nicht, dass es grammatisch falsch wird – wir arbeiten immer mithilfe von Lexika und bemühen uns um grammatische Richtigkeit – aber wir verwenden zum Beispiel auch Spätlatein und Dichtersprache, anstatt darum einen großen Bogen zu machen.

Hat sich Ihr Verhältnis zur lateinischen Sprache durch Ista verändert?

Das würde ich so nicht sagen. Das hängt aber auch mit meiner eigenen Biografie zusammen. Ich habe seit 1979, also noch zu meiner Schulzeit, Kontakt zur „Lebendigen Latein-Szene“. Meine Schwester und ich besuchten damals Seminare für gesprochenes Latein. Da haben wir zwar nicht unbedingt gelernt, fließend Latein zu sprechen, aber wir haben uns mit der Sprache anders auseinandergesetzt. Es gab früher einen Werbespruch: „Beton ist, was man draus macht.“ Das gilt auch für Latein. Man kann die Sprache als völlig erstarrten Gegenstand der Anbetung sehen oder frei und kreativ mit ihr umgehen. Das war der Ansatz, den ich verwirklichen wollte, und da kam mir das Projekt Ista genau richtig.

Aber ist Latein nicht doch eine tote Sprache?

Nein, ganz und gar nicht! Latein wird Tag für Tag auf der ganzen Welt von Millionen Menschen benutzt, auch wenn es keine Muttersprachler mehr gibt. Das hat eine lange Tradition – ich erinnere an das Quartier Latin in Paris oder das Mittelalter. Da war es ganz selbstverständlich: Wer gut gebildet war, sprach fließend Latein. Ein Mann wie Shakespeare beherrschte Latein genauso gut wie Englisch. Eine Sprache ist dann tot, wenn sie niemand mehr kennt und verwendet, wie ein Kuriosum, so wie zum Beispiel Alt-Assyrisch: Es gibt zwar ein paar Gelehrte, die sich damit beschäftigen, aber welche Rolle spielt das schon in der Öffentlichkeit?

Wie kommen Ihre Texte bei Lateinlehrern an?

Manche sagen, das sei ja kein klassisches Latein, wir hätten uns mehr an die Metrik halten müssen. Das hätten wir tun können, aber wir haben uns im Vorfeld bewusst dagegen entschieden, weil wir uns als Musiker sehen und nicht als Zulieferer für Lehrer. Viele Kollegen nutzen unsere Musik aber auch gern im Unterricht, als eine schöne Abwechslung vom normalen Unterrichtsalltag.

Wie finden es Ihre eigenen Schüler, dass Sie lateinische Songs machen?

Die finden das toll. Es stellt sich allerdings eine gewisse Ernüchterung ein, wenn sie feststellen, dass der Mensch, der das macht, trotzdem von ihnen verlangt, dass sie Vokabeln lernen. Dann hat uns der Alltag wieder.

Wie können Schüler und Lehrer die Musikstücke denn im Unterricht nutzen?

Das hängt in hohem Maß von den Schülern selbst ab. Ich habe eine Idealvorstellung, die von den Inhalten der Songs ausgeht. Zum Beispiel stellen viele unserer Texte das moderne Leben auf Latein dar. Das ist erst einmal ein Anachronismus. Wir möchten damit ja gewissermaßen den Umgang mit Latein gegen den Strich bürsten und sagen: Latein ist eine lebendige Sache. Man kann ein Gefühl für die Benutzung dieser Sprache entwickeln und auf diese Weise dazu beitragen, dass die Zuhörer – und eben auch die Schüler – ein neues Verhältnis zur lateinischen Sprache bekommen.

Über Ista

Ista“ kommen eigentlich aus Wilhelmshafen, leben jetzt aber überall in der Republik verteilt. Eines hält sie zusammen: Latein. Seit 1992 rappt die Band auf Latein. Das Bandprojekt entstand an der Cäcilienschule Wilhelmshaven – genauer: in einem Lateinkurs.


Beitragsbild: Fotolia 59541883, von Syda Productions, zugeschnitten und verkleinert

dirk herzog

Über Dirk Herzog

Dirk Herzog schreibt seit vielen Jahren über Bildungs- und Schulprojekte. Beim Wortschatz-Blog kümmert er sich um die Themenplanung und redaktionellen Abläufe.

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