Schönschrift als Aufgabe
Wer am Schriftbild arbeitet, verbessert auch die Rechtschreibung
In meiner Klasse lernen: ein Autist, zwei lernbehinderte Kinder, ein Legastheniker, leserechtschreibschwache Kinder sowie jede Menge normalbegabte Hauptschülerinnen und -schüler. Und fast alle haben das gleiche Problem: Ihre Schrift ist grauenhaft und ihre Kenntnis der richtigen Orthographie englischer Wörter ebenso. Nur ein Kind zeigt genau das andere Extrem, wunderschöne Schwünge und eine perfekte Stifthaltung. Aber ist Schönschrift im Fach Englisch überhaupt wichtig und steht sie im Zusammenhang mit korrekter Orthographie?
Keine Zeit ist nicht die Lösung
Meine Kolleginnen und Kollegen sind überzeugt, dass es diesen Zusammenhang gibt! Sie konzentrieren sich dann aber trotzdem lediglich auf Grammatik und Spracherwerb. Alleine das, so ihre Aussage, würde schon genug Zeit in der Hauptschule in Anspruch nehmen. Ich gehe einen anderen Weg. Seit Beginn des Schuljahres übe ich im Englischunterricht die Schulausgangsschrift. Mein Ziel: zunächst die Abschreibfähigkeit der Lernenden und später langfristig die korrekte Reproduktion von Wortschatz zu verbessern.
Übungen für „Fast-Finisher“
Wann dafür Zeit ist? Ständig mit dem „Fast-Finisher“-Prinzip! Meine Klasse zeigt aufgrund der angesprochenen Ausgangslage ein extrem heterogenes Leistungsbild. So kommt es in jeder Stunde vor, dass Kinder Aufgaben unterschiedlich schnell bearbeiten. Ich habe mit den Schülerinnen und Schülern trainiert, dass sie Aufgaben in ihrem Schönschriftheft erledigen, wenn sie fertig sind, bis wir gemeinsam an den eigentlichen Aufgaben weiterarbeiten können.
Verschenkte Zeit? Keineswegs!
Jetzt, ein halbes Jahr später sehe ich, dass sich die Anstrengung gelohnt hat und die Kinderaugen strahlen. „Frau Pfenning, ich hätte nie gedacht, dass ich das kann. In der Grundschule haben sie gesagt, ich schaffe das nicht!“ Ich ergänze dann gerne „und deine Rechtschreibung hat sich auch (massiv) verbessert!“, denn genau das fällt den Schülerinnen und Schülern oft nicht auf.
Dass sich die zeitintensive und bei den Kindern im Bewusstsein verankerte, mühevolle Arbeit auszahlt, legt auch eine Studie von Jonathan Newton und Jim Dickie an der Victoria University of Wellington nahe. Lernende, die Wortschatzaufgaben mit produktiven Schreibaufgaben verknüpfen, sind erfolgreicher als jene, die lediglich rezeptive Aufgaben bearbeiten (z.B. Lernen mit Multiple-Choice-Aufgaben am Smartphone). Eine weitere Studie bestätigt diese Ergebnisse.
Schönschrift in den Unterricht einbauen
Neben den Übungen im Schönschriftheft habe ich alle Arbeitsblätter in der Schulausgangsschrift (SAS) angefertigt (hier gibt es die Schrift zum kostenlosen Download). Alle Übungsblätter zum Vokabeltraining forderten stets die SAS ein. Auch bei der Wiederholung von Wörtern, die die Schülerinnen und Schüler aus der Grundschule kennen, haben wir zugleich die Schreibfähigkeit trainiert.
- arbeitsblatt schreibschrift
- arbeitsblatt schreibschrift2
Weniger Rechtschreibfehler, schnellere Schülerinnen und Schüler
Ich glaube, es kommt nicht darauf an, welche der verschiedenen Schriften (SAS, VAS, LA oder Grundschrift) man wählt. Das Ziel sollte sein, eine flüssige, lockere und leserliche Schrift zu entwickeln. Nach meiner Erfahrung ist die Arbeit mit viel Mühe verbunden, und nur durch konsequentes Einfordern halten sich die Kinder an die Schrift. Das Ergebnis zeigt aber in meiner Klasse eine deutliche Verbesserung der grafomotorischen Fähigkeiten – das kann ich an der Schnelligkeit ihrer zu bearbeitenden Hefteinträge erkennen. Auch meinem Anliegen werden die Übungen gerecht: Die Schülerinnen und Schüler zeigen eine Verbesserung der Rechtschreibung in allen Fächern! Die Kinder sind stolz auf sich, wenn sich die Mühe für sie auszahlt.
Download: Arbeitsblatt (2 Seiten, PDF)
Beitragsbild: fotolia #89830010 | Urheber: peshkov

Über Ramona Pfenning
Ramona Pfenning arbeitete als Lehrkraft für Englisch, Geschichte und Ethik bereits in Bayern, Baden-Württemberg und Hessen. Vom Wortschatz-Blog erhofft sie sich viel Interaktion mit anderen Lehrkräften sowie Ideen und Anregungen für den eigenen Unterricht.
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