„Viele Wege führen nach Rom“ – sinnvolle Vokabellernmethoden
Eine Frage der Verknüpfung
Vokabeln als Konzept
Wortschatz zu lernen, ist keine leichte Aufgabe. Dieser Tatsache müssen wir Lehrerinnen und Lehrer uns stets bewusst sein. Wenn wir ganz ehrlich sind, machen wir es uns ab und zu etwas einfach, indem wir unseren Schülerinnen und Schülern folgende Hausaufgaben geben: „Lernt bis morgen die ersten beiden Portionen von Lektion 12!“
Nicht nur, dass wir damit unsere Schülerschaft schon aufgrund der Menge von neu zu lernenden Wörtern überfordern (es ist nachgewiesen, dass das Gehirn nicht mehr als sieben bis acht neue Vokabeln verarbeiten kann). Nein, auch was die Methodik angeht, lassen wir sie leider zu häufig im Regen stehen.
Grundsätzlich müssen wir unseren Schülerinnen und Schülern von Anfang klarmachen, dass lateinische Vokabeln nicht immer eins-zu-eins ins Deutsche übertragen werden können. Nehmen wir doch zum Beispiel das lateinische Wort familia. Unsere Schülerinnen und Schüler bewerten dieses Wort natürlich sofort als „superleicht zu lernen“, da sie es mit dem deutschen Wort „Familie“ gleichsetzen. Unsere Aufgabe ist es jedoch, unserer Lerngruppe bewusst zu machen, dass eine römische Familie ganz anders zusammengesetzt war als eine moderne Familie und in ihr auch eine etwas andere Verteilung der familiären Machtverhältnisse vorherrschte.
Im Folgenden werde ich nun einige Strategien und Methoden vorstellen, wie Wortschatz sowohl im Unterricht als auch in der häuslichen Arbeit umgewälzt und geübt werden kann. Es soll nicht um Themen wie Vokabelheft vs. Karteikasten gehen. Diese Diskussion sollte an anderer Stelle geführt werden.
Verknüpfung als Hauptstrategie
Die lateinische Fachdidaktik hat sich in den letzten Jahren vermehrt der Evaluation des Unterrichts und seiner Methoden gewidmet. Das ist gut so, denn nur so können wir zielgerichtet arbeiten und wissen auch, dass das, was wir tun, Sinn ergibt. Auch wenn die Studien (zum Beispiel hier nachzulesen) noch nicht repräsentativ sind, zeichnen sie ein Bild und geben uns eine Richtung vor. Ein Begriff, der in Studien immer wieder genannt wird, ist „Verknüpfung“. Verknüpfungen bzw. Assoziationen können in erster Linie zum Vorwissen der Schülerinnen und Schülern hergestellt werden: zu eigenen Erlebnissen, Wortfamilien, Sachfeldern, anderen Sprachen, usw.
Verknüpfung heißt aber auch, Eselsbrücken zu neuen Vokabeln zu bilden, sich Merksprüche auszudenken, Synonyme/Antonyme finden usw.
Weg 1: Erzählen
Eine Methode, Wortschatz nachhaltiger im Langzeitgedächtnis zu verankern, ist die Vokabelgeschichte. Sie eignet sich perfekt als Hausaufgabe. Die Schülerinnen und Schüler sollen auf Deutsch eine frei erfundene oder erlebte Geschichte schreiben, in die sie eine bestimmte Anzahl von neuen (oder zu wiederholenden) Vokabeln einbauen. Nach dem Prinzip: „Gestern ging ich mit meiner amica ein Eis essen.“ Man sollte darauf achten, dass immer nur ein lateinisches Wort pro Satz eingesetzt werden soll, um die Verständlichkeit der Geschichte zu gewährleisten. Um die Wiederholung der Vokabeln sicherzustellen, ist es auch möglich, die mehrmalige Verwendung von neuem Vokabular in der Geschichte vorzugeben.
Weg 2: Visualisieren
Für die Visualisierung von Wortschatz bieten sich viele Möglichkeiten an. Im Unterricht selbst kann die Lehrerin oder der Lehrer mit Bildern arbeiten, zu denen die Schülerinnen und Schüler passende lateinische Vokabeln nennen sollen. Natürlich kann man auch den Spieß umdrehen: die Schülerinnen und Schüler zeichnen bzw. suchen selbst Bilder, die sich für die Wiederholung/Umwälzung lateinischer Vokabeln eignen. Einzelne Schülerinnen und Schüler könnten zum Beispiel auf unbeschriebener Folie ein Bild zeichnen und den Einstieg der nächsten Stunde übernehmen.
Weg 3: Strukturieren
Durch verschiedene Studien wurde mittlerweile nachgewiesen, dass reines Listenlernen, wie es von einer Großzahl unserer Schülerschaft praktiziert wird, weit weniger effektiv ist, als wir angenommen haben. Wie schon oben erwähnt ist die Verknüpfung von neuem Wortschatz mit Bekanntem wesentlich wirkungsvoller.
Vokabeln lassen sich auf viele verschiedene Weisen strukturieren. Einfache Sortieraufgaben könnten der erste Weg sein: z. B. nach Wortarten, Präfixen und verba simplicia (s. Abb.), Sachfeldern, Wortfamilien …
Die Methode ist natürlich erweiterbar. Vokabeln lassen sich auch sehr gut in Mind Maps bzw. so genannten Wortnetzen anordnen. Ein Schülerbeispiel für ein Wortnetz findet sich hier:
Dieses Wortnetz wurde mit der Browser-App lucidchart erstellt, die man kostenlos im Internet nutzen kann. Weitere Browser-Programme für die Erstellung von Mind Maps bzw. Wortnetzen sind zum Beispiel: Coogle, MindMaple, MindMeister, WiseMapping, Subtask oder Mindomo. Auch für Tablets sind zahlreiche Mind-Mapping-Apps verfügbar.
Fazit
Unsere Schülerinnen und Schüler sollen neue Vokabeln möglichst schnell im Langzeitgedächtnis abspeichern. Dies kann am besten geschehen, wenn sie das neue Vokabular mit etwas verknüpfen. Etwas, das ihnen bekannt ist oder etwas, das in ihnen Assoziationen wozu auch immer hervorruft. Mit den aufgeführten Methoden kann diese Verknüpfung und damit die langfristige Speicherung zumindest wahrscheinlicher gemacht werden.
Beitragsbild: fotolia #134564588 | Urheber: sdecoret

Über Dennis Gressel
Dennis Gressel ist ein waschechter Badener und unterrichtet seit 2006 am altsprachlichen Bismarck-Gymnasium in Karlsruhe die Fächer Latein, Sport und Ethik. Er ist auch in der Weiterbildung für Lehrkräfte tätig und möchte hier seine Ideen zu einem modernen und motivierenden Lateinunterricht einbringen.
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