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Vokabeln lernen – tierisch gut!

Wie Katze, Maus, Affe und Chamäleon beim Wortschatzlernen helfen können

„Auf morgen lernt ihr die Vokabeln von Lektion 23!“ Wie oft haben unsere Schülerinnen und Schüler schon diesen oder einen ähnlichen Satz gehört? Und wie oft haben wir Lehrer diesen Satz schon unseren Schülerinnen und Schülern an den Kopf geworfen, ohne uns bewusst zu sein, was dieser Satz eigentlich bedeutet. Ich bin der Meinung, dass ein solcher Satz gerade für Kinder in der Unterstufe eine klare Überforderung darstellt. Und zwar aus mehreren Gründen:

  1. Die Menge der Vokabeln ist viel zu groß. Je nach Lehrbuch umfassen die Lektionen 25 bis 30 neue Vokabeln, die zu lernen sind. Da das Gehirn lediglich sieben bis zehn neue Einheiten pro Tag verarbeiten kann, haben wir hier unsere erste Überforderung.
  2. Auch wenn wir in unserem Unterricht eine bestimmte Vokabellernmethode eingeführt haben, heißt das nicht, dass diese Methode für alle Wörter Sinn ergibt. Mit der Entscheidung, welche Methode bei welchen Wörtern am wirkungsvollsten ist, können wir unsere Schülerinnen und Schüler nicht allein lassen.
  3. Manche Vokabeln sind einfach zu schwierig, um sie kommentarlos in Schülerhand zu geben. Denken wir nur an Wörter wie ratio, pietas oder virtus. Was bedeuten diese Wörter wirklich? Was steckt dahinter? Und kann man sie überhaupt ins Deutsche übersetzen oder ist es vielmehr nötig, den Schülerinnen und Schülern das Konzept, das dahintersteckt, zu vermitteln?

Wenn man diese Gründe betrachtet, scheint es einleuchtend, dass eine Hausaufgabe, wie oben formuliert, nicht gestellt werden darf. Eine Idee, wie man den Schülerinnen und Schülern das Lernen neuer Wörter erleichtern kann, möchte ich nun vorstellen.

Vokabelkategorien

Ich habe das Vokabular in vier Kategorien unterteilt.

  1. „Normale“ Wörter
  2. „Kleine“ Wörter
  3. „Verwandte“ Wörter
  4. „Mehrdeutige“ Wörter

Ad A) Unter „normalen“ Wörtern verstehe ich Vokabeln, die man mit einer Vokabelliste lernen kann. Für diese Wörter bieten sich als Hilfen Eselsbrücken, Vokabelgeschichten, Schlüsselwörter oder graphische Darstellungen an. Wichtig ist, dass die Schülerinnen und Schüler die neuen Wörter mit bekannten Inhalten aus ihrer Lebenswelt verknüpfen. Unter diese Kategorie fallen z. B. clamare, donum, laetus usw.

Ad B) „Kleine“ Wörter (Partikel, Konjunktionen, Fragewörter) machen erfahrungsgemäß Schwierigkeiten beim Lernen, da es schwerfällt, die notwendige Verknüpfung zu einem bekannten und relevanten Inhalt herzustellen. Deshalb ist es für diese Gruppe von Wörtern zum Beispiel sinnvoll, über kurze einprägsame Sätze die Bedeutungen zu verankern. Auch „Latine loqui“ lässt sich für die Wortschatzarbeit mit den kleinen Wörtern einsetzen. Denken wir z. B. an einen kurzen Dialog zwischen zwei Schülern:

Peter: „Salve David! Quid est?“

David: „Salve Peter! Nihil! Unde venis? Cur rogas?“

Dieser Dialog lässt sich gerade im Anfangsunterricht auch dahingehend variieren, dass nur die kleinen Wörter auf Lateinisch genannt werden müssen, der Rest des Satzes dann auf Deutsch vervollständigt wird.

Ad C) Viele lateinische Vokabeln zeigen eine Sprachverwandtschaft zum Deutschen oder anderen europäischen Fremdsprachen wie Französisch, Italienisch, Spanisch und Englisch. Diese Tatsache lässt sich nutzen. Die Schülerinnen und Schüler sollten bei diesen Wörtern die Ähnlichkeiten zu ihnen bekannten Fremd- bzw. Lehnwörtern herausarbeiten. Unter diese Kategorie fallen Wörter wie z. B. imperator, signum, provincia usw. Aber Vorsicht: Nicht alles, was gleich klingt, bedeutet auch das gleiche (siehe D).

Ad D) Die „mehrdeutigen“ Wörter stellen zumeist für unsere Schülerinnen und Schüler die höchste Hürde dar. Hierunter fallen die schon genannten römischen Wertbegriffe (virtus, pietas, ratio oder auch fides), aber auch viele polyseme Verben wie petere, contendere, consulere usw. Eine Methode, um dieser „Fieslinge“ Herr zu werden, ist zum Beispiel die an dieser Stelle schon vorgestellte Methode des Rondogramms. Grundsätzlich sollte man darauf achten, dass die mehrdeutigen Wörter immer gesondert betrachtet und ausführlich im Unterricht behandelt werden. Nur dann können wir gewährleisten, dass unsere Schülerinnen und Schüler auch verstehen, dass etwa eine römische familia sich doch erheblich von einer modernen Familie unterscheidet.

Vokabeltiere

Da ich an einem altsprachlichen Gymnasium unterrichte, habe ich das Privileg, schon Schülerinnen und Schülern der 5. Klasse Latein beibringen zu dürfen. Für die zum Teil noch sehr jungen Kinder habe ich die Kategorien mit bestimmten Tieren (und Farben) verknüpft, um das System der Vokabelkategorien attraktiver und anschaulicher zu machen. In meinem Fall habe ich mich für die Katze („normale“ Wörter), die Maus („kleine Wörter“), den Affen („verwandte“ Wörter) und das Chamäleon („mehrdeutige“ Wörter) entschieden. Gerade das Chamäleon eignet sich als Bild ganz gut, da es wie die polysemen Wörter je nach Umgebung eine andere Farbe (Bedeutung) annehmen kann.

Die Tiere/Farben werden einerseits bei der Einführung der neuen Vokabeln genutzt, aber auch für die häusliche Arbeit. So müssen die Schülerinnen und Schüler (nach einer gewissen Eingewöhnungszeit) selbst entscheiden, welcher Kategorie sie die entsprechende Vokabel zuordnen. Um den Überblick zu bewahren, schreiben sie die neuen Wörter auf eine Karteikarte mit der entsprechenden Tierfarbe und lernen sie nach den eingeführten Methoden.

 

Fazit

Die Wirksamkeit dieser Ideen werde ich in meinem Unterricht noch evaluieren. Klar ist auch, dass sich nicht jede lateinische Vokabel immer nur einer Kategorie zuordnen lassen kann. Jedoch bin ich der Überzeugung, dass es meinen Schülerinnen und Schülern mit den verschiedenen Kategorien leichter fallen wird, die richtige Methode auszuwählen. Dies ist zu Beginn natürlich ohne die Unterstützung des Lehrers oder der Lehrerin nicht machbar. Im Laufe der Zeit sollte die Schülerinnen und Schüler aber in der Lage sein, selbst die Vokabeln einzuteilen und die entsprechende Methode anzuwenden.

Zum Schluss noch ein Lesetipp: Gute Inspirationen für die Wortschatzarbeit – auch zu diesem Beitrag – habe ich hier gefunden: Peter Kuhlmann: Wortschatzlernen im Lateinunterricht – Didaktische Überlegungen und empirische Befunde, in: Magnus Frisch (Hg.): Alte Sprachen – neuer Unterricht, Ars Didactica 1, Speyer: Kartoffeldruck-Verlag 2015, S. 153-184

Download

Übersicht „Wörtertiere“ (PDF)

Arbeitsblatt_Wortschatzübungen (Word-Dokument)


Beitragsbild: fotolia #101320773 | Urheber: zsv3207

Über Dennis Gressel

Dennis Gressel ist ein waschechter Badener und unterrichtet seit 2006 am altsprachlichen Bismarck-Gymnasium in Karlsruhe die Fächer Latein, Sport und Ethik. Er ist auch in der Weiterbildung für Lehrkräfte tätig und möchte hier seine Ideen zu einem modernen und motivierenden Lateinunterricht einbringen.

2 Kommentare
  1. Basti
    Basti sagte:

    Das wäre einmal ein alternativer Ansatz zum bloßen Auswendiglernen. Der Einstieg ist dadurch viel leichter. Ich hätte mir früher so eine Methode gewünscht.

    Antworten

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