Vokabeltests – Sinn oder Unsinn?
Was Vokabeltests für den Lernerfolg und die Motivation bringen
Vokabeltests sind für die Schülerinnen und Schüler oft ein lästiges Übel. Auch als Lehrerin frage ich mich häufig, ob sie überhaupt sein müssen. Schaue ich mir dann aber die Leistungen der Jugendlichen an, die sie ohne Vokabeltests erzielt haben, so lautet die Antwort auf die Frage: ein klares Ja!
Mit Vokabeltests am Ball bleiben
Vor allem bei den Sprachanfängern ist es wichtig, dass sie am Ball bleiben. Im Kindergarten oder spätestens in der Grundschule hatten sie im Unterricht erste Berührungen mit Englisch oder anderen Fremdsprachen. Da hier das Hauptaugenmerk allerdings immer noch auf der Vermittlung von Freude an der Sprache ist und alles spielerisch vermittelt werden kann, merken sich die Kinder die Vokabeln leichter und lieber.
Kommt ab Klasse fünf der Notendruck dazu, ist es mit der Leichtigkeit des spielerischen Lernens oft vorbei, da muss man auch als Lehrkraft ehrlich sein. Ich bemühe mich, den spielerischen Gedanken so oft es geht mit in den Unterricht einzubeziehen, doch im Alltag ist manchmal schlichtweg die Zeit dazu nicht da. Habe ich eine Klassenleitung, sieht es wieder anders aus, während Fachlehrer und Fachlehrerinnen nur wenige Übungsstunden zur Verfügung haben. Als Klassenleiterin kann ich durchaus auch einmal Stunden tauschen.
Nichtsdestotrotz gebe ich den spielerischen Gedanken nicht auf und lasse meine Schülerinnen und Schüler Vokabeln lernen und auch Fehlerschwerpunkte spielerisch verbessern.
In Klasse 5 auf Grundschulwortschatz aufbauen
Momentan unterrichte ich eine fünfte Klasse. Die Kinder kamen aus verschiedenen Grundschulen und hatten entsprechend unterschiedliche Basisniveaus. Gemeinsam haben wir begonnen, ihre unterschiedlichen Erfahrungen zu sammeln und mit unserem Lehrwerk darauf aufzubauen.
Ich habe dann relativ schnell den ersten Vokabeltest geschrieben, da die Schülerinnen und Schüler auch schon erste Erfolgserlebnisse bekommen sollten. Und ich muss sagen, es hat geklappt.
Freilich frage ich zunächst ganz einfache Vokabeln wie Farben, Schulsachen oder Dinge im Klassenzimmer ab. Das vermittelt ihnen genau den Erfolg, den sie brauchen. Zudem haben sie durch den ersten Erfolg bereits eine höhere Motivation weiter zu lernen.
So teste ich Vokabeln
Bei den anfänglichen Vokabeltests frage ich jeweils ungefähr die Hälfte der aufgegebenen Wörter ab. Meine SprachanfängerInnen und auch die höheren Klassen bekommen jeweils eine Tabelle.
In dieser Tabelle gibt es vier Spalten. Zunächst sind deutsche Wörter vorgegeben, die Jugendlichen schreiben das englische Wort daneben. Danach sind englische Vokabeln vorgegeben und sie schreiben das deutsche Wort daneben.
Ist der Sprachunterricht weiter fortgeschritten, so füge ich auch gerne Bilder mit an, zu denen die Vokabel gefunden werden muss. Oder es gibt ein bis drei kurze Sätze dazu, die sie übersetzen müssen. Möglich sind auch Fragen, die auf Englisch beantwortet werden sollen.
Und wie sieht der Test aus: Der Umfang ist immer ungefähr gleich, nie mehr als eine Seite, besser sogar nur eine halbe. Auch die Grundvorlage, also die Tabelle, bleibt unverändert. So erwartet meine Klasse immer Bekanntes, sie Jugendlichen werden nicht abgeschreckt oder überfordert. Denn wir wollen unsere Schülerinnen und Schüler ja fordern, aber nicht überfordern. So haben sie auch bald keine Scheu mehr davor – das System ist ja immer gleich. Und die Möglichkeit, oft eine gute Note zu ergattern, ist groß und motiviert. Bevor wir zu schreiben beginnen, lese ich alle Vokabeln zusätzlich vor, so dass auch die Aussprache der Wörter noch einmal klar ist.
Vokabeltests: eine Win-Win-Situation
Anfangs schreibe ich relativ viele Vokabeltests, etwa alle eineinhalb bis zwei Wochen. Dies hat den einfachen Grund, dass die Schülerinnen und Schüler am Ball bleiben und weiter lernen. Und das Konzept geht auf! Durch die guten Erfolge in den ersten Tests entwickelt sich die Motivation relativ selbstständig. Zudem wollen sich die Jugendlichen auch untereinander messen und vergleichen, was mit dieser Art von Test sehr einfach geht.
So erreiche ich eine Win-Win-Situation: Die Schülerinnen und Schüler behalten den Anschluss und lernen, zudem bekommen sie meist eine gute Note als Belohnung. Selbstverständlich gibt es bei Etlichen zwischendurch auch einmal Durchhänger, doch durch die immer gleiche Vorgehensweise können sich meine Schülerinnen und Schüler relativ schnell wieder aus ihrem Tief befreien und erneut gute Noten schreiben.
Schwierigkeiten beim Sinnverständnis und bei der Schreibung von Wörtern benötigen besondere Maßnahmen. Zum Beispiel konnten sich einmal 80 Prozent der Klasse die Schreibung von „favourite“ nicht merken. Anfangs habe ich es als eine Art „Running Gag“ verpackt, doch bis zum Ende des Jahres fand sich dieses Wort in nahezu jedem Vokabeltest. Es hat ein wenig gedauert, doch am Ende konnten es alle – und sie können es heute noch.
Im Laufe eines jeden Schuljahres häufen sich dann die Probentermine, meist vor den Ferien, oder es kommen andere Begebenheiten dazwischen. Deshalb werden die Vokabeltests dann ehrlicherweise weniger. Doch nachdem ich vorher die Strukturen eingeschärft habe und die Schülerinnen und Schüler wissen, was auf sie zukommt und wie sie schnell eine gute Note bekommen, funktioniert es auch dann.
Positive Erlebnisse statt Angst
Ich bin der Meinung, dass Vokabeltests im Fremdsprachenunterricht genauso nötig sind und bleiben werden wie zum Beispiel Diktate im Deutschunterricht. Es kommt aber darauf an, wie ich sie verpacke. Schaffe ich eine Angstsituation, indem ich mit den Tests drohe, wird sicherlich der Lerneffekt unter Druck eher gering sein. Ermögliche ich den Jugendlichen damit positive Erlebnisse, dann wird es sicherlich gelingen. Vielleicht nicht bei allen, aber die meisten meiner Schülerinnen und Schüler sind bisher dankbar über diese Art der Tests.
Beitragsbild: Fotolia #81366861 | Urheber: drubig-photo

Über Christiane Vatter-Wittl
Christiane Vatter-Wittl ist Deutsch- und Englisch-Lehrerin an einer bayerischen Mittelschule. Schreibt immer schon gerne, zum Beispiel als Autorin für einen Schulbuchverlag. Möchte hier Ideen und Konzepte zur Wortschatzarbeit im Unterricht mit Gleichgesinnten teilen.
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