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Was uns Computer über Metaphern lehren

… und wieso es sich lohnt, Metaphern in der Fremdsprache zu kennen

Metapher ist, wenn wir ein Wort aus seinem eigentlichen Bedeutungszusammenhang in einen neuen Kontext übertragen – so sieht es der Duden. Ergänzend folgt der Hinweis, dass Metaphern vor allem als Stilmittel genutzt werden. Ich möchte dieser Definition widersprechen, und zwar gleich aus zwei Gründen. Weder gibt es immer einen „eigentlichen“ und einen „übertragenen“ Bedeutungskontext, noch sind Metaphern vor allem als Stilmittel nützlich.

Der „eigentliche“ Bedeutungszusammenhang ist Ansichtssache

Feuer im Herzen, Flugzeuge im Bauch, Dorn im Auge – keiner dieser metaphorischen Ausdrücke ist glücklicherweise wörtlich zu nehmen. Aber jeder hat vor Augen, wie „wörtlich“ in diesen Fällen aussehen würde und aus welchem Bedeutungskontext die Ausdrücke stammen: Feuer brennt zum Beispiel im Kamin, Flugzeuge fliegen am Himmel, Dornen wachsen an Pflanzen. Ausdrücke wie diese sind gewissermaßen typische Metaphern, die mit Bildern veranschaulichen, was sich sonst nur langatmig, abstrakt und viel weniger pointiert sagen ließe.

Aber längst nicht jede Metapher ist so blumig und gut zu erkennen. Eine Fundgrube für metaphorische Ausdrücke, die wir im Alltag kaum noch als solche wahrnehmen, ist die Sprache im Bereich Computer. Weil Computer eine vergleichsweise neue Erfindung sind und findige IT-Hersteller ihren Kunden die Bedienung möglichst einfach machen wollten, orientierten sie sich am Offline-Büroalltag (auch wenn das damals natürlich noch nicht „offline“ hieß). Ordner, Dokumente, ein Schreibtisch und ein Papierkorb machen den Umgang mit dem Computer auch Technikmuffeln einfach. Postfach, Lesezeichen, Fenster: ganz frei von Poesie und Stilmittel helfen uns diese Begriffe, uns im virtuellen Raum zu orientieren.

Bemerkenswert allerdings finde ich, dass insbesondere bei vielen englischen Computermetaphern hierzulande kaum noch jemand den „eigentlichen“, also ursprünglichen Bedeutungskontext kennt. Dass „Backup“ auf Englisch nicht immer mit Datensicherung zu tun hat, dass man auch mit den eigenen Augen etwas „scannen“ kann oder dass manche „Bugs“ fliegen und stechen können, ist längst nicht jedem Computernutzer bekannt. Wie wenig wir uns der metaphorischen Natur von Computerbegriffen bewusst sind, zeigt sich auch daran, dass es viele von ihnen wieder zurück in analoge Kontexte schaffen – zum Beispiel, wenn wir im menschlichen Kopf Festplatten, Arbeitsspeicher oder andere IT-Bauteile verorten, um geistige Prozesse zu beschreiben.

Kaum ein Text kommt ohne Metaphern aus

Aber auch bei Themen ganz ohne IT-Bezug lauern Metaphern in praktisch jedem Text – es geht gar nicht ohne sie. Ob wir unseren Horizont erweitern, uns über engstirnige Politiker aufregen oder uns abends ausgelaugt zum Entspannen aufs Sofa legen, Metaphern sind immer im Spiel. Wenn Sie das nicht glauben mögen, dann versuchen Sie doch einmal, diesen Absatz in metaphernfreie Sprache zu übersetzen.

Sobald es auch nur ein bisschen abstrakt wird und wir zum Beispiel Gefühle, Gedanken, Prozesse oder Absichten beschreiben wollen, brauchen wir Metaphern: etwa wenn wir Zeit sparen, wenn uns der Kragen platzt, wenn wir jemandem eine Steilvorlage liefern. Das ist auf Deutsch so, aber auch in jeder anderen Sprache, weil ganz einfach unsere Gehirne so funktionieren. So hat es schon 1980 der kognitive Linguist George Lakoff beschrieben: „We have found […] that metaphor is pervasive in everyday life, not just in language but in thought and action. Our ordinary conceptual system, in terms of which we both think and act, is fundamentally metaphorical in nature.”

Metaphern in der Fremdsprache kennen

Wer sich gern mit Sprache beschäftigt, kann Metaphern viel abgewinnen. Sie erlauben einen spannenden Einblick in unser Denken. Und wer sich ihrer bewusst ist, kann sie einsetzen, um sich anschaulicher und überzeugender auszudrücken. Beim Fremdsprachenlernen stellen sie aber häufig eine Hürde dar. Es lohnt sich, Metaphern in der Fremdsprache einmal gezielt in den Blick zu nehmen – nicht nur als isolierte „idiomatische Wendungen“, sondern nach Themenfeldern sortiert.

Dafür bieten sich sowohl Bereiche an, die besonders viele Metaphern hervorbringen – etwa Sport – oder Gebiete, über die wir besonders metaphernreich sprechen, zum Beispiel Gefühle. Zum einen hilft der „gebündelte“ Blick auf mehrere Metaphern zugleich, die Ausdrücke zu behalten. Zum anderen bereitet dieser Wortschatz die Schülerinnen und Schüler darauf vor, über abstrakte Themen zu sprechen und ihren Standpunkt gekonnt auf den Punkt zu bringen – und das befeuert dann sicherlich viele zukünftige Diskussionen in der Klasse.


Beitragsbild:  #168556378 | Urheber: adiruch na chiangmai

alexandra mankarios

Über Alexandra Mankarios

Studierte Sprachlehrforscherin, Journalistin und privat ein echter Sprachenfan: Spricht vier Sprachen fließend und hat zwei unterrichtet. Begeistert sich für Semantik und würde gern einmal ihr eigenes mentales Lexikon aufschlagen.

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