legitimate barbecue beitrag

Wortschatz braucht Weltwissen

Fehlübersetzungen zeigen, wie komplex Wortschatz ist

Die Welt ist ein Dorf. Ständig sind irgendwo Menschen außerhalb ihres muttersprachlichen Gebiets unterwegs. Damit sie sich zurecht finden, bieten zum Beispiel serviceorientierte Unternehmen und die Behörden von Touristen-Hotspots Unterstützung in Form von mehrsprachigen Hinweisschildern oder Speisekarten an. Weil allerdings Profi-Übersetzungen kostspielig sind, müssen oft kostenlose Internetübersetzer und Wörterbücher reichen. Die Ergebnisse sind mitunter ziemlich witzig. Außerdem zeigen sie, wie viel Kontext und Weltwissen nötig ist, um die große Zahl mehrdeutiger Wörter richtig zu verstehen.

Achtung Wortart!

Ein häufiges Problem – zumindest bei der Ausgangssprache Englisch – sind Wörter, die in mehr als einer Wortart vorkommen. Das Verb „to train“ etwa unterscheidet sich äußerlich nicht vom Substantiv „train“ – ein Umstand, der zum Beispiel den unterhaltsamen Übersetzungsfehler auf dem folgenden tunesischen Warnschild „inspiriert“ hat. Man kann sich direkt vorstellen, wie eine des Deutschen nicht mächtige Person im Englisch-Deutsch-Wörterbuch „train“ nachgeschlagen und sich mangels Sprachkenntnissen gleich für den ersten Eintrag entschieden hat.

Stolperfalle Polyseme

Aber auch wenn die Wortart klar ist, ist es die Übersetzung oft noch lange nicht. Das zeigen zum Beispiel die zahlreichen Speisekarten mit Übersetzungsfehlern, die die Website binmitdabei.com zusammengestellt hat. Hier können Gäste zum Beispiel „Fruchterschütterung“, „Misshandeltes Kabeljaufilet“ oder – irgendwie sympathisch – ein „liebes und saures Schwein“ wählen.

In allen drei Fällen sprechen Sprachwissenschaftler von Polysemen – also Wörtern, die mehrere miteinander verwandte oder voneinander abgewandelte Bedeutungen haben. Dass es sich bei einem Wort überhaupt um ein Polysem handelt, fällt häufig erst beim Übersetzen auf – so etwa bei der misslungenen Übersetzung des „sweet and sour pork“.

Homonyme: die echten Teekesselchen

Anders als Polyseme haben Homonyme gewissermaßen nur zufällig die gleiche Wortform – etwa weil sie sich aus zwei völlig unterschiedlichen Wortursprüngen entwickelt haben. Auf Englisch ist der Begriff „arm“ so ein Beispiel: „arm“ im Sinn einer Waffe stammt von dem lateinischen Wort „armas“ ab, während die Bezeichnung des Körperteils „arm“ germanischen Ursprungs ist. Als sei das nicht genug, kann man aber natürlich trotzdem noch weitere polyseme Bedeutungen von „arm“ ableiten. Hier stolpert zum Beispiel auch der Google Übersetzer:

Spezialfall Idiome

Eine besondere Hürde stellen Redewendungen dar. Eine Faustregel könnte lauten: Wenn ich alle Wörter kenne und die Bedeutung des Satzes trotzdem nicht verstehe, dann bin ich vermutlich auf eine idiomatische Wendung gestoßen. Schöne Beispiele für Redewendungen aus verschiedenen Sprachen liefert diese Seite als Begleitung zu verschiedenen TedX-Talks zum Thema Sprache.

Umgang mit mehrdeutigen Wörtern üben

Wie aber kann es gelingen, Lernende im Fremdsprachenunterricht auf die vielen mehrdeutigen Begriffe und Redewendungen vorzubereiten? Drei Strategien versprechen Erfolg:

  • Neue Wörter nicht einzeln betrachten, sondern in Satzgefügen.
  • Die Arbeit mit Wörterbüchern immer wieder üben, so dass die Lernenden wissen, dass nicht immer der erste Eintrag der passende ist (Unterrichtsmaterial zu mehrdeutigen Wörtern für Französisch Sek. 1 und Spanisch Sek. 1 und 2 gibt es hier).
  • Die Bewusstheit für mehrdeutige Wörter erhöhen. Wie wäre es zum Beispiel gelegentlich mit einer Runde „Teekesselchen“ in der Fremdsprache?

 


Das Beitragsbild „Legitimate Barbecue“  von Jpbarrass (hier leicht beschnitten) ist lizensiert unter Creative Commons Lizenz CC BY-SA 3.0. „Legitimate“ ist eine Fehlübersetzung aus dem Koreanischen – korrekt wäre „authentic“.

alexandra mankarios

Über Alexandra Mankarios

Studierte Sprachlehrforscherin, Journalistin und privat ein echter Sprachenfan: Spricht vier Sprachen fließend und hat zwei unterrichtet. Begeistert sich für Semantik und würde gern einmal ihr eigenes mentales Lexikon aufschlagen.

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